2009, das Jahr nach den Wahlen – ernüchternde Bilanz

Am 11. Februar 2009 haben die Menschen in Simbabwe Hoffnung geschöpft, ein bisschen zumindest. Nach monatelangen zähen Verhandlungen wurde Morgan Tsvangirai an jenem Tag in der Hauptstadt Harare zum Ministerpräsidenten vereidigt. Die Koalitionsregierung von Tsvangirais bisheriger Oppositionspartei, ‚Movement for Democratic Change’ (MDC), und der Regierungspartei von Präsident Robert Mugabe sollte ihre Arbeit aufnehmen. Doch würden die Kader von Mugabes Zimbabwe African National Union – Patriotic Front (Zanu-PF) die Macht wirklich teilen? Würde der langjährige Alleinherrscher und ehemalige Freiheitskämpfer Mugabe seinen verhassten Widersacher Tsvangirai ernsthaft mitreden lassen? Würden sich die Politiker endlich um den Aufbau des wirtschaftlich völlig ruinierten Landes kümmern?

Ein Jahr später zieht Sipho Mthathi eine ernüchternde Bilanz. ‚Die Zanu-PF hat das Abkommen über die Machtteilung blockiert, wo es nur ging’, sagt die Politikanalystin, die für die Menschenrechtsorganisation Human Rights Watch arbeitet. Es sei bestenfalls ein Fünftel der Vereinbarungen umgesetzt. Es sei noch immer keine demokratische Verfassung ausgearbeitet, Vorbereitungen für freie und faire Wahlen seien nicht in Sicht, es bestehe keine Pressefreiheit und Schlüsselpositionen wie jene des Zentralbankchefs sowie die Posten von Provinzgouverneuren seien wegen Machtstreitigkeiten nicht besetzt worden.

Tsvangirai wollte aus Protest über die Blockadehaltung der Zanu-PF im Herbst 2009 die Regierung boykottieren. Doch Vermittler der Southern African Development Community (SADC) drängten ihn, weiterzumachen. Seither hat er noch weniger erreicht als zuvor. Die Machtlosigkeit der MDC kann man besonders gut am Fall Roy Bennett ablesen. Der 53 Jahre alte MDC-Politiker sollte eigentlich stellvertretender Landwirtschaftsminister werden. Doch seit Monaten sitzt er im Gefängnis, weil ihm Mugabe Umsturzpläne vorwirft. Der für sein aufbrausendes Temperament bekannte Bennett bestreitet das und auch die Menschenrechtlerin Mthathi und andere unabhängige Beobachter halten das Verfahren für politisch motiviert.

Bennett ist einer jener weißen Farmer, die von Mugabes Schergen vertrieben wurden. Von den ehemals 4300 weißen Großgrundbesitzern sind nur noch 300 in Simbabwe tätig. Und auch sie werden drangsaliert. Die Vertreibungen begannen im großen Stil vor etwa zehn Jahren. Das berechtigte Anliegen der Landverteilung an Schwarze geriet zur brutalen Enteignung der Weißen. Belohnt wurden korrupte Machtmenschen, die Mugabe stützen, aber nichts von Landwirtschaft verstehen. Simbabwe stürzte von der einstigen Kornkammer des südlichen Afrikas in den wirtschaftlichen Ruin.

Die Inflation wurde zuletzt im Juni 2008 offiziell ausgewiesen – mit 231 Millionen Prozent. In den Läden gab es keine Lebensmittel mehr. Die Simbabwer waren auf die Hilfe ihrer Freunde und Verwandten angewiesen, die sich ins Ausland abgesetzt hatten. Etwa vier Millionen der zwölf Millionen Einwohner sind schon geflüchtet, viele ins benachbarte Südafrika. Dort allerdings sind sie immer wieder fremdenfeindlichen Übergriffen ausgesetzt.

3-0-Schlangestehen

Eine der ersten Amtshandlungen der Einheitsregierung war es, den US-Dollar als Zahlungsmittel zuzulassen. Nun gibt es zwar wieder Lebensmittel. Wer allerdings nicht an Dollar kommt, kann auch nichts kaufen. Das trifft vor allem die Bevölkerung auf dem Land. Auch Schulen und Krankenhäuser begannen wieder zu arbeiten, nachdem die neue Regierung eingesetzt war. Tsvangirai versuchte, die Lehrer, Ärzte und Krankenschwestern zu bezahlen. Doch das Geld reicht nicht. ‚Manche Lehrer geben schon wieder auf’, erzählt Mthathi.

Auch ausländische Investoren sind angesichts der instabilen politischen Lage immer noch rar in Simbabwe. Dabei bräuchte das Land dringend Hilfe für den Wiederaufbau. Einstweilen bedienen sich aber die Parteigenossen der Zanu-PF sowie Polizei und Militär am lukrativen Abbau von Bodenschätzen. Im Marange-Distrikt im Südosten des Landes etwa haben sie sich der Diamantenminen bemächtigt. Arbeiter, die nicht spuren, werden verprügelt oder sogar getötet.

Immer noch werden auch Menschen verfolgt, die für Demokratie eintreten. Vielen werde unter fadenscheinigen Gründen der Prozess gemacht, sagt Erwin van der Borght, Direktor des Afrika-Programms bei Amnesty International. Dabei forderten sie nur international anerkannte Rechte wie Versammlungsfreiheit ein. Einige, die jetzt wieder von der Justiz geplagt würden, seien schon nach der umstrittenen Wahl 2008 vorübergehend verschleppt worden.

Bei der Präsidenten- und Parlamentswahl am 29. März 2008 kandidierte der damals 84 Jahre alte Mugabe für seine sechste Amtszeit. Seine Zanu-PF verlor allerdings die absolute Mehrheit an die MDC und wurde damit erstmals seit der Unabhängigkeit 1980 nicht die stärkste Partei im Parlament. Die Bekanntgabe des Ergebnisses der Präsidentenwahl verzögerte die Wahlkommission wochenlang. Die MDC erklärte zwischenzeitlich aufgrund von Aushängen an den Wahllokalen Tsvangirai mit 50,3 Prozent zum Sieger. Nach offiziellen Bekundungen erzielte er aber nur 47,9 Prozent. Mugabe erhielt angeblich 43,2 Prozent und erzwang eine Stichwahl. Da er MDC-Anhänger brutal niederknüppeln ließ und die Opposition massiv einschüchterte, trat Tsvangirai nicht mehr zum zweiten Urnengang an. Mugabe erhielt bei dieser Wahlfarce gemäß offizieller Verlautbarung 85,5 Prozent der Stimmen.

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Die SADC vermittelte nach diesem undemokratischen Akt zwischen Tsvangirai und Mugabe und brachte die beiden erbitterten Gegner dazu, sich auf eine Einheitsregierung einzulassen, die neue und faire Wahlen vorbereiten sollte. Bisher ist sie diese Aufgabe schuldig geblieben. Auch aus diesem Grund halten die Europäische Union und die USA Sanktionen gegen Mugabe und einige seiner Vertrauten aufrecht. Mugabe drängt Tsvangirai, der in Europa und Amerika einen guten Ruf genießt, darauf einzuwirken, dass die Sanktionen aufgegeben werden. Dann allerdings würde er sich endgültig zum Handlanger für einen Despoten degradieren.

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