Zimbabwe – damals – und heute

Berichte von Sabine Fiedler-Conradi, Mai 2005

Es gibt wohl kaum noch deutsche Zeitungsleser, denen nicht schon das Konterfei Robert Mugabes begegnet ist, des Präsidenten von Zimbabwe. Warum interessiert sich unsere Medienöffentlichkeit für das Schicksal einer relativ kleinen Nation von zwölf Millionen Menschen im südlichen Afrika? Die Aufmerksamkeit liegt wohl vor allem im Kontrast zu den so ganz anderen Schlagzeilen begründet, die Zimbabwe in den 1980er Jahren zu einer Hoffnungsträgerin Afrikas machte. Endlich, so schien es damals, gab es Positives aus Afrika vermelden! Nach einem langen und weithin beachteten Befreiungskrieg war mit Zimbabwe im Jahre 1980 eine der letzten afrikanischen Nationen unabhängig geworden, und seitdem schien sie sich zum wahren Musterländle zu entwickeln:

  • Das Land nutzte seine reichen Ressourcen und seine relativ diversifizierte Wirtschaftsstruktur, baute neben der materiellen vor allem seine soziale Infrastruktur aus.
  • Erstmals erhielt die kleinbäuerliche Landwirtschaft – unter der weißen Siedlerherrschaft auf Subsistenzniveau gehalten – die Anreize, die sie brauchte, um auch für den Markt produzieren zu können.
  • Unter dem Motto „Gesundheit und Bildung für alle!“ sanken binnen eines einzigen Jahrzehnts die Analphabetenraten ebenso drastisch wie die Sterblichkeit bei Kindern; die Lebenserwartung wuchs mit der Lebensqualität.
  • Zimbabwe zählte auf dem afrikanischen Kontinent schon bald zu den Staaten mit dem höchsten allgemeinen Bildungsniveau und den besten Fachkräften.
  • Überdies galt der Umgang der schwarzen Mehrheitsregierung mit dem schwierigen kolonialen Vermächtnis als modellhaft. Es blieben nicht nur Zehntausende von Weißen gerne im Land, sondern viele kehrten sogar wieder dorthin zurück, sofern sie es aus Angst vor Rachefeldzügen verlassen hatten.

Heute, nur fünfzehn Jahre nach der aussichtsreichen Bilanz des ersten unabhängigen Jahrzehnts, bricht Zimbabwe in rasantem Tempo Negativrekorde. Das Land hat weltweit die am schnellsten kollabierende Volkswirtschaft, die höchste Inflationsrate und die vierthöchste HIV-Infektionsrate *. Unter den Ländern, in denen weder Krieg herrscht, noch Kriegsfolgen zu verarbeiten sind, hat es wahrscheinlich die höchste Auswanderungsrate sowie den größten Anteil an Inlandsvertriebenen und Waisenkindern an der Bevölkerung. Überdies sind im einstigen Brotkorb des südlichen Afrika zwei Fünftel der Bevölkerung unterernährt – dies würde ohne die internationale humanitäre Hilfe der vergangenen Jahre für wesentlich mehr Menschen gelten.

Zimbabwe gilt mit einer Infektionsrate von 25 % der Bevölkerung zwischen 15 und 49 Jahren als das Land mit der zweithöchsten HIV-Infektionsrate, nach Botswana (37 %). Dies trifft zu, wenn Lesotho und Swaziland nicht mitgezählt werden, die aufgrund ihrer völligen Abhängigkeit von Südafrika besonderen Bedingungen (Wanderarbeit!) unterworfen sind.

Wie konnte es zu dem eklatanten sozialen und wirtschaftlichen Verfall kommen? Natürlich war Zimbabwe als exportorientiertes Entwicklungsland, das einerseits stark von der Ausbeutung seiner reichen Bodenschätze, andererseits von den Erträgen der kommerziellen Landwirtschaft abhing, den Schwankungen der Weltmarktpreise gleichermaßen ausgesetzt wie denen des Klimas. Zudem wurde insbesondere der Bergbau von multinationalen Konzernen beherrscht, die an der Entwicklung heimischer Industrie nur bedingt Interesse zeigten. Im übrigen hat die Liberalisierung der Märkte und Finanzen im Rahmen eines Strukturanpassungsprogramms in den 1990er Jahren weder die absehbar großen sozialen Härten abgefedert, noch kleine und mittelständische Unternehmen ausreichend gefördert. Diese Faktoren waren mitverantwortlich für die wachsende soziale Ungleichheit in Zimbabwe, sowie für einen stetigen Prozess der Entindustrialisierung. Sie sind aber für sich genommen keineswegs ausschlaggebend für die rapide Verallgemeinerung der Armut und den Kahlschlag an produktiven Ressourcen.

Wenn es unter dem komplexen Bündel von negativen Einflüssen einen einzelnen ausschlaggebenden Faktor gibt, dann ist er nicht wirtschaftlichen, sondern politischen Ursprungs: Zimbabwes Regierung hat seine Wirtschafts- und Finanzpolitik dem Primat des Machterhalts unterstellt. Dies hat sie – nur dem Anschein nach paradoxerweise – umso mehr getan, als eine verfehlte wirtschaftliche Entwicklung die Politik zunehmend unter Legitimationsdruck brachte. Insbesondere an neuralgischen Punkten – wie etwa jeweils vor den Wahlen – wurden „Reformen“ in Wirtschaft und Finanzen entweder dazu benutzt oder eigens eingeleitet, um die Ansprüche parteiloyalen Gefolges zu befriedigen. Manche dienten gar dem Zweck, korrupte Deals im großen Stil zu ermöglichen, wobei der Kreis potentieller Nutznießer so gezielt wie möglich eingegrenzt wurde; andere wiederum hatten rein populistischen Charakter.

Mit dem vorläufig letzten großen Projekt dieser Art hat sich Zimbabwe spätestens seit 2000 ein Abonnement auf internationale Schlagzeilen verschafft. Es nennt sich Landreform und hat den Vorzug, die politische Elite und die Armen gleichzeitig zu bedienen. Als nämlich der Interventionspolitik zur Pflege der Patronagesysteme die Manövriermasse ausging, fiel gegen Ende der 1990er Jahre der Blick auf die letzte verbliebene Ressource: die landwirtschaftlichen Großbetriebe.

Bei der seit dem Jahre 2000 durchgeführten Umverteilung von Land ging es um durchschnittlich besonders fruchtbare Ländereien, die im Besitz von rund 4.500 Bauern überwiegend europäischer Herkunft waren. Deren Farmen bedeckten noch immer über vierzig Prozent des landwirtschaftlich nutzbaren Bodens der Republik und bildeten zusammen mit dem Bergbau das Rückgrat des Exports. Das verbleibende, durchschnittlich weit unfruchtbarere Land teilten sich in dem Agrarstaat mehr als eine Million klein(st)bäuerliche Familien. Die meisten unter ihnen fristeten darauf ein recht kümmerliches Dasein.

Die himmelschreiende Ungerechtigkeit dieses kolonialen Vermächtnisses war eine Hauptantriebsfeder für den Befreiungskampf gewesen. Auch nach der Unabhängigkeit blieb Wiedergutmachung ein zentrales gesellschaftliches Anliegen. Politisch hingegen war die Landfrage nach Abschluss einer kleineren, wenn auch beachtlichen Reform in den 1980er Jahren zusehends in den Hintergrund gerückt, gelegentlicher wahlwirksamer Vorstöße zum Trotz.

Dafür gibt es teils durchaus nachvollziehbare Gründe. Die anvisierte „große“ Landreform stieß sowohl beim mächtigen zimbabwischen Großbauernverband, als auch bei potentiellen internationalen Finanziers auf – wenn auch grundsätzlich überwindbare – Widerstände. Das Augenmerk der wachsenden schwarzen Wirtschaftelite Zimbabwes richtete sich indessen eher auf Industrie, Handel oder Dienstleistung als auf die Landwirtschaft. Dennoch wurde die soziale Notwendigkeit und ethische Berechtigung einer umfassenden Landreform auch von denjenigen Beteiligten kaum in Frage gestellt, denen das Eisen zu heiß schien. Nur wenige waren allerdings davon überzeugt, dass eine durchgreifende Bodenreform auch wirtschaftlich ein Erfolgsprojekt werden könnte.

In jedem Fall war absehbar, dass während einer langjährigen Umstellungsphase von großräumiger auf kleinteilige Produktionsweise in der kommerziellen Landwirtschaft massive Einbußen an Deviseneinkünften zu erwarten sein würden. Der politische Wille, diese Durststrecke zu durchschreiten, hat lange gefehlt. Sanftere Maßnahmen, die das einschneidende Großprojekt sukzessive vorbereitet hätten (wie etwa die Einführung einer Bodensteuer oder einer Regelung, die es erlaubt hätte, große Ländereien in kleinere Einheiten zu unterteilen), scheiterten vor allem am Widerstand einer kleinen schwarzen Elite, die die Großfarmen der Weißen irgendwann beerben wollte.

All dies änderte sich, seit die Regierungspartei ZANU (PF) – Zimbabwe African National Union (Patriotic Front) – wegen des wirtschaftlichen Niedergangs, der um sich greifenden Korruption in politischen Kreisen und der selbstherrlichen Arroganz eines de facto Einparteienstaats von verschiedensten Seiten massiv unter Druck geriet.[siehe auch das Kapitel „Die Landkampagne seit 2000 und ihre Verlierer“]

Druck auf die Regierung entwickelte sich seit Mitte der 1990er Jahre. Die Aufbruchstimmung der jungen Nation war versiegt, die sozioökonomischen Errungenschaften der 80er Jahre bereits spürbar rückläufig geworden und die krasse soziale Ungleichheit hatte sich zementiert statt abgemildert. Die Politik der nationalen Einheit, für die die meisten Menschen lange Zeit gern am selben Strang zogen und Meinungsunterschiede begruben, war hohl und fahl geworden.

Kreative, zukunftsweisende Ideen aus den Gewerkschaften, Industrie- und Handelsverbänden und einer Vielzahl anderer Nichtregierungsorganisationen (NRO) unterschiedlichster Expertise stießen bei der Politik auf taube Ohren. Eine politische Opposition, die alternative Konzepte ins Parlament hätte einbringen können, gab es praktisch nicht.

So war es insbesondere der unabhängigen Presse und der NRO-Aktivität vorbehalten, eine gesellschaftliche Debatte darüber zu führen, wie das aus dem Ruder geratene Schiff auf Kurs zu bringen sei. Präsident Robert Mugabe und sein Kabinett unternahmen mehrfach Versuche, solche Debatten aufzugreifen und in themenorientierte nationale Konsultationsforen mit breiter Interessensvertretung einzubinden, die als eine Art think-tank fungieren sollten. Dort versickerten neue Ideen und Reformkonzepte regelmäßig auf Nimmerwiedersehen. Solche Erfahrungen radikalisierten zivilgesellschaftliche Diskurse. Es kam zu zahlreichen Neugründungen von NRO, die sich explizit auf bürgerrechtliche und andere Menschenrechtsfragen spezialisierten.

Unterdessen machten 1997/98 Brotunruhen und Streiks völlig unerwarteten Ausmaßes klar, dass auch in der breiten Bevölkerung der Geduldsfaden zu reißen drohte, vor allem in den Städten. Kurz zuvor hatte sich Präsident Mugabe der erpresserischen Lobby unzufriedener ehemaliger Befreiungskämpfer und -kämpferinnen durch das Versprechen von Befriedungsgeschenken gebeugt. Deren Einlösung brachte den Staatshaushalt in große Nöte, führte schlagartig zu einer massiven Entwertung der nationalen Währung und leitete eine bedrohliche inflationäre Entwicklung ein, die schließlich eskalierte, vor allem in Folge des Eintritts Zimbabwes in den Kongokrieg 1998.

Angesichts des allgemeinen Unmuts rüstete sich die Regierung Mugabe seit Ende 1997 umtriebig zur „Endlösung“ der Landfrage, wies zunächst rund 1.500 Großfarmen zur Enteignung aus, verstrickte sich dabei in heillose administrative und rechtliche Widersprüche, nahm Entscheidungen verschiedentlich zurück, erneuerte manche wieder und verkaufte dieses Durcheinander propagandistisch als den endgültigen Todesstoß für das koloniale Joch wie auch für die Abwehr „neokolonialer“ Bestrebungen.

Was als Versuch gedacht war, die Legitimationsfrage vom Tisch zu bringen, indem man eine Angelegenheit in Angriff nahm, über deren Notwendigkeit sich die Bevölkerung so einig war wie über nichts sonst, polarisierte Zimbabwe. In einer großen Zahl überbevölkerter Kommunalgebiete (den früheren Reservaten) gab es entschiedenen Zuspruch, mitunter regte sich eine geradezu erneuerte, tatendurstige Aufbruchstimmung. Kritik regte sich vor allem in den Städten, wo einerseits die Landwirtschaft nicht zu den unmittelbaren Interessen gehörte und andererseits ohnehin schon längere Zeit Neuentwürfe zum Verhältnis von Gesellschaft und Politik die Runde machten. Aber auch im ländlichen Matabeleland im Westen des Landes, wo die Massaker und Terrorkampagnen von Regierungstruppen unvergessen sind, mithilfe derer sich die Regierungspartei ZANU (PF) in den 1980er Jahren ihrer politischen Rivalin ZAPU entledigte, ließ man sich durch die Landkampagne oftmals nicht von bitteren Realitäten ablenken. Dieses kritische Potential bündelte sich 1998 in einer überraschend kraftvollen Verfassungsbewegung.

Wirtschaftlicher Niedergang, rapide Verarmung, der ökonomisch widersinnige Umgang mit der Landfrage, der Eintritt in den Kongokrieg sowie mehrere aktuelle Skandale rund um die Plünderung von Sozialfonds durch Parteifunktionäre haben schließlich ein breites Bündnis aus Gewerkschaften und kirchlichen Organisationen, studentischen, Jugend- und Frauengruppen, sowie Menschenrechts- und Entwicklungsorganisationen auf den Plan gerufen, die eine Generalüberholung des politischen Systems einforderten.

Hauptangriffspunkt war die Lancaster-House-Verfassung, die als oberstes Regelwerk der Republik diente. Bei der Verfassung handelte es sich ursprünglich um das Friedensabkommen, mit dem 1979 die streitenden Parteien im Lancaster House in London das Ende des Befreiungskriegs und die Unabhängigkeit Zimbabwes einläuteten. Sie war immer als Übergangsverfassung gedacht gewesen, aber zahlreiche Verfassungsänderungen hatten dafür gesorgt, dass sich die Zanu-PF-Regierung darin recht sattelfest einrichtete. Auf diese Weise schien die faktische Untrennbarkeit von Regierungsamt, Partei und Staat durch die Hintertür zum beklemmenden Verfassungsgebot zu werden.

Das zivilgesellschaftliche Verfassungsbündnis, die National Constitutional Assembly (NCA), setzte sich nun zum Ziel, einen breiten nationalen Konsens über eine neue zimbabwische Verfassung auszuarbeiten. NCA startete eine Kampagne, die unerwartet großen und breiten Widerhall fand und von deren Anliegen sich zunächst auch beträchtliche Teile der Anhängerschaft der Regierungspartei angesprochen fühlten. Ende der 1990er Jahre lebte so in Stadt und Land wieder Hoffnung auf, dass es friedliche Wege geben könnte, den verkrusteten Einparteienstaat zu öffnen.

We are ready to die for a new Constitution

Die landesweit geführte Debatte über Verfassungsfragen entwickelte sich in Windeseile zu einer starken Demokratiebewegung, die von der Regierung schließlich als bedrohlich empfunden wurde. Da es keine Aussicht gab, diese gesellschaftliche Kraft wieder einzudämmen, erklärte Präsident Mugabe sie in für seine Regierungsführung typischer Manier zu seinem persönlichen Anliegen und berief eine präsidiale Verfassungskommission ein. Diese führte bei allen Bevölkerungsgruppen im ganzen Land Anhörungen durch, deren Zwischenergebnisse in der staatlichen wie privaten Presse regelmäßig dokumentiert und lebhaft diskutiert wurden.

Der Verfassungsentwurf aber, der schließlich einem Referendum vorgelegt werden sollte, widersprach vor allem in den entscheidenden Fragen der Gewaltenteilung allem, was sich bis dahin als Wille der Mehrheit herauskristallisiert hatte. Er zementierte stattdessen den Status Quo. Die Enttäuschung war groß, selbst in NCA-Kreisen, wo man diese Entwicklung vorausgesehen hatte.

In der Zwischenzeit hatte sich in Vorbereitung auf die für 2000 anstehenden Parlamentswahlen aus dem Umfeld des Gewerkschaftsdachverbandes und der NCA eine neue Partei gegründet, die Movement for Democratic Change (MDC). MDC, des Scheiterns ihrer Vorgängerparteien gewahr, nahm sich als offene Sammelbewegung unter Parteiführer Morgan Tsvangirai zum kurzfristigen Oberziel, den Demokratisierungsforderungen der Verfassungsbewegung auch parlamentarisch Gewicht zu verschaffen.

Dabei wurde die Verhinderung einer weiteren Amtszeit des Präsidenten zur zentralen Forderung, weil sie den Minimalkonsens in der Bevölkerung ausdrückte. Das einem sozialdemokratischen Bauchladen ähnelnde MDC-Wahlmanifest war Ausdruck des Bemühens, den Charakter einer breiten Bewegung zu bewahren, solange es in vorderster Linie darum ging, die Spielräume im politischen Raum zu öffnen, die es braucht, um Inhalte und partikulare Interessen überhaupt erst aushandeln zu können.

Im Jahre 2000 stand die Regierungspartei ZANU (PF) vor der ersten ernsthaften Herausforderung ihrer Geschichte. Als der Regierungsentwurf für eine neue Verfassung vor dem Referendum im Februar 2000 scheiterte, stellte die zimbabwische Bevölkerung damit erstmals seit der Unabhängigkeit die Machtfrage. Die Glaubwürdigkeit der Regierungspolitik stand auf einem historischen Tiefpunkt, ebenso wie die allgemeine wirtschaftliche und soziale Lage, die eine kleine, buchstäblich unverschämt reiche Oberschicht hervorgebracht hatte, den zaghaft gewachsenen Mittelstand wieder aushöhlte und vor allem die Lebensqualität der Bevölkerungsmehrheit auf ein Niveau zurück warf, das selbst das Leid zu Kolonialzeiten in den Schatten stellt.

Inmitten eines stetigen wirtschaftlichen Niedergangs ohne Perspektive auf Besserung kann keine demokratisch gewählte Regierung mittelfristig an der Macht bleiben, selbst wenn machtstrategisch bedeutsame Interessen kurzfristig bedient werden können. ZANU (PF) und Robert Mugabe haben sich deshalb entschieden, ihrerseits die Machtfrage zu stellen und sie unter Einsatz aller Mittel, die einem de facto Einparteienstaat zu Gebote stehen, „ein für allemal“ für sich zu entscheiden. Im Rückblick aus dem Jahre 2005 ist das Regierungshandeln der vergangenen fünf Jahre von ebenso bezwingender wie erstickender Konsequenz, begründeten Phasen aufflackernder Zuversicht und Tatkraft bei Opposition und Zivilgesellschaft zum Trotz.

MDC Kampagne

Es gibt zwar mit der MDC (Movement for Democratic Change) seit den Wahlen vom Juni 2000, trotz massiver Einschüchterungskampagnen und Manipulationen, erstmals seit 1987 wieder eine nennenswerte parlamentarische Opposition. Seit den Wahlen vom März 2005 ist sie allerdings zur Bedeutungslosigkeit verdammt, nachdem die Regierungspartei für die Rückeroberung der verfassungsändernden Mehrheit gesorgt hatte. Obwohl das Mitwirken der MDC in diesen fünf Jahren das parlamentarische Geschäft insgesamt lebendiger und transparenter gemacht hat, macht die Regierung nun im eigentlichen Sinne keine Politik mehr.

Seit 2000 gibt es kaum eine wichtige Maßnahme, die sich in Design und Durchführung nicht eindeutig dem Gebot des Machterhalts zuordnen ließe – und zwar in zunehmendem Maße um jeden Preis. Ein Blick auf die Ereignisse der letzten fünf Jahre offenbart die strategischen Leitlinien der Regierung:

  • Wo man Medien und Zivilgesellschaft nicht mit ins eigene Boot bekommt, werden sie kontrolliert, blockiert, kriminalisiert und gegebenenfalls aufgrund entsprechend herzustellender Gesetzeslage verboten.
  • Wo man parlamentarische Opposition nicht verhindern kann, wird sie als terroristische Vereinigung bekämpft, infiltriert und gespalten, ihrer Mittel beraubt und von ihrer Basis ferngehalten. Ihre Anhänger sind einzuschüchtern; ihre Aktivisten zusätzlich möglichst oft und regelmäßig zu verhaften, zu verhören und gegebenenfalls zu foltern.
  • Wo man es mit einer unabhängigen Justiz zu tun hat, ist sie unwirksam zu machen. Dies geschieht auf drei Ebenen: erstens durch stetige Schikanen, die solange zu eskalieren sind, bis die Betroffenen „freiwillig“ aus dem Amt scheiden und durch willfährigere Juristen ersetzt werden können. Zweitens durch schlichtes Ignorieren von höchstrichterlichen Urteilen. Drittens durch die Schaffung eines rechtsfreien Raums, in dem Menschen sich so bedroht fühlen, dass sie auf das Beschreiten des Rechtsweges verzichten, weil dieser sie exponieren würde.
  • Wo man Gedanken- und Gewissensfreiheit nicht aus Menschen herausprügeln kann, werden sie anderweitig wirksam eingeschüchtert sowie ihrer Lebensgrundlagen beraubt – bis hin zur Verweigerung von Nahrungsmittelhilfe in Hungersnöten an unliebsame Personen oder durch gewaltsame Evakuierung städtischer Armenviertel ohne Bereitstellung von alternativen Unterkünften.
  • Wo Wahlen selbst mit einer eingeschüchterten, hungernden und ohnmächtigen Bevölkerung auch dann nicht zu gewinnen sind, wenn beachtliche Wahlgeschenke bereit stehen, werden sie nach allen Regeln der Kunst manipuliert.

Über solcher Machterhaltsstrategie stand spätestens nach der Niederlage im Verfassungsreferendum im Februar 2000 das ebenso populistische wie konsequent umgesetzte Oberziel „Beschleunigte Landreform“. Mit dessen in äußerst gewalttätigem und zunehmend repressivem Klima erfolgten Umsetzung wurden machtstrategisch vor allem drei Ziele verfolgt:

  • Rückgewinnung von Glaubwürdigkeit im Inland sowie innerhalb der Region durch die Umsetzung eines wichtigen innergesellschaftlichen wie auch panafrikanischen Anliegens.
  • Befriedung von wachsendem Unmut und Protest angesichts der wirtschaftlichen und sozialen Malaise bei der breiten Bevölkerung.
  • Freisetzung von Ressourcen zur Pflege klientelistischer Netzwerke.
  • Herstellung eines Klimas der Toleranz gegenüber der Unterdrückung und Verfolgung von Opposition wie auch gegenüber den sozialen Folgen des wirtschaftlichen Niedergangs. Es wird im südlichen Afrika allgemein akzeptiert, dass eine Landreform unter den strukturellen Bedingungen Zimbabwes einem neuen „Befreiungskampf“ gleichkomme und daher unvermeidbare Härten mit sich führe, die selbst staatliche Willkür und Menschenrechtsverletzungen entschuldigen können
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