Weiße Farmer sollen enteignet werden

Es ist ein fast ikonografisches Foto, das Rab Cooper von Associated Press 2000 in der Nähe von Centenary, etwa 150 Kilometer nördlich von Harare gemacht hat. Wir stehen auf der Seite der Weißen. Nicht dass wir eine Wahl hätten, es ergibt sich daraus, wo sich der Fotograf befindet, nämlich innerhalb des Zauns. Die Frau und ihre Zwillingstöchter gehören zur Familie, die auf dieser Farm lebt. Die Schwarzen protestieren gegen die Privilegien der Grundbesitzer.

Die Szene wirkt bedrohlich. Was, wenn die aufgebrachten Schwarzen das Tor durchbrechen? Wie wird der Hund reagieren? Der Zaun sieht wacklig aus, aber er steht unter Strom. Ein anderes Bild aus dieser Serie zeigt die Weisse und ihre Kinder nahe am Zaun. Sofort wirkt die Lage entspannter, vielleicht suchen sie das Gespräch mit den Schwarzen. Diese sind auch nicht so gewaltbereit, wie man zunächst vermuten könnte. Einige tanzen und singen. Manche Gegenstände, die wie Waffen wirken, erweisen sich auf den zweiten Blick als Musikinstrumente.

Es war die Zeit, als Simbabwes Machthaber Robert Mugabe eine Landreform durchsetzte und rund 4.000 weiße Farmer enteignete. Er versuchte damit, innenpolitischen Frust über sein Mißmanagement abzuleiten auf die verbliebenen weißen Farmer – das Rückgrat der simbabwischen Wirtschaft.

Die Grundstücke gingen an landlose Bauern, aber auch an viele Parteibonzen im Umfeld Mugabes. Der Niedergang der Wirtschaft setzte sich fort. Nach Mugabes Abgang 2017 hieß es rasch, man wolle die einstigen Besitzer entschädigen. Doch womit? Die finanzielle Lage im südafrikanischen Land ist katastrophal.

Jetzt scheint es, dass Präsident Mnangagwa die Altlast seines Vorgängers Mugabe beseitigen möchte: Der Staat will die vor 20 Jahren enteigneten weißen Farmer entschädigen. Damit winkt den weißen Landwirten eine späte Genugtuung: Durchschnittlich soll jeder der mehr als 3500 Betroffenen, die einen Antrag gestellt haben, mit umgerechnet rund 850.000 Euro entschädigt werden. Kompensiert werden sollen damit die Unternehmen, Immobilien und sonstigen Werte, die sich auf den Grundstücken der Bauern befanden, die damals in Staatsbesitz übergingen. Nach langen Verhandlungen haben sich die Unterhändler der Regierung und der Bauernvereinigung „Commercial Farmers‘ Union“ (CFU) auf einen insgesamt knapp drei Milliarden Euro schweren Deal geeinigt. Die erste Hälfte der Summe soll bereits innerhalb eines Jahres fließen, die restlichen Zahlungen werden auf fünf Jahre gestreckt.

Präsident Emmerson Mnangagwa sprach von einem „historischen Anlass“, CFU-Präsident Andrew Pascoe gar von einem „Wunder“. Weniger euphorisch reagierte der simbabwische Analyst und Politikberater Alex Magaisa, der heute an der Universität im britischen Kent lehrt. Zwar sei damit der erste Schritt gelungen, um einen Schlussstrich unter das Kapitel der Landreform zu ziehen, sagt Magaisa. Doch: „Vor zehn, 15 Jahren, wäre das Thema Entschädigungen viel weiter oben auf der Prioritätenliste gewesen. Heute gehört es nicht mehr zu den drängendsten Problemen.“

Durch die Landreform und die teils gewaltsame Vertreibung von etwa 4000 weißen Farmern hatte Simbabwe viel internationales Vertrauen eingebüßt. Dabei galt Simbabwe nach seiner Unabhängigkeit 1980 zunächst als hoffnungsvoller Gegenentwurf zum benachbarten Apartheid-Südafrika. Doch durch das zunehmend aggressive und autoritäre Auftreten von Revolutionsheld und Langzeitherrscher Mugabe isolierte es sich außenpolitisch immer weiter. Auf die brutale Landreform zwischen 2000 und 2003 reagierten die USA und die EU mit Sanktionen gegen zahlreiche simbabwische Personen und Unternehmen, die teils bis heute gelten. Neben politischen Fehlern im Land selbst trug auch die sinkende Investitionsbereitschaft im Ausland zum wirtschaftlichen Niedergang bei. Die Wirtschaftskrise nimmt immer bedrohlichere Ausmaße an, die Währung ist im freien Fall. Millionen Simbabwer hungern, auch weil der Zyklon Idai vor gut einem Jahr und eine darauffolgende Dürre für kärgliche Ernten gesorgt haben. Dazu kommt die Corona-Pandemie: Der Anstieg der offiziellen Fallzahlen – derzeit knapp über 3000 – hat sich jüngst beschleunigt.

Doch viele Fragen zur angestrebten Entschädigungslösung bleiben offen, vor allem die wesentliche: Woher soll das Geld kommen? Zwar ist Simbabwe bereit, sich dafür zu verschulden, doch wer gibt dem korrupten Regime Kredite? Tatsache ist, dass von den Vermögenswerten der Farmen heute oft nicht mehr viel übrig ist: Weil der Grundbesitz ins Eigentum des Staates überging und heutige Farmer ihre Äcker nur noch pachten, fehlen ihnen Sicherheiten, die sie bei den Banken für Kredite hinterlegen können. Die gesamte Besitzstruktur wurde auf den Kopf gestellt. Das hat das Finanzierungsmodell für die Landwirtschaft beeinflusst. Inzwischen unterhält die Regierung eine Reihe von Programmen, um die Bauern liquide zu halten – was wiederum die öffentlichen Kassen belastet und Korruption begünstigt.

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