Die Entwicklung seit 2009

Nach den Unruhen im Umfeld der Wahlen im Jahr 2008 wurde im Februar 2009 auf internationalen Druck eine Koalitionsregierung (GNU) zwischen der Regierungspartei ZANU PF des Präsidenten Robert Mugabe, der Oppositionspartei des Premierministers Morgan Tsvangirai MDC T und der des stellvertretenden Präsidenten Arthur Mutambara MDC M aufgestellt. Bei der Verteilung der Ministerien fielen der heikle Posten des Finanzministers sowie die sozialen Ministerien in die Verantwortung der MDC, während die ZANU PF die Macht über die Streitkräfte und den Sicherheitsapparat sowie über die Justiz, die Minen und die Medien behielt.

Nach der Zeit der Hyper-Inflation war durch die Abschaffung des Zimbabwe-Dollars und die Einführung des US Dollars, des Südafrikanischen Rand und der Botswana Pula als reguläre Zahlungsmittel die allgemeine Versorgung mit Lebensmitteln und anderen Gütern des täglichen Lebens wieder möglich. Da die meisten Produkte aus dem Ausland exportiert werden, sind die Preise jedoch fast identisch mit denen in Europa, was für die Menschen in Simbabwe ein großes Problem darstellt. Jetzt sind die Regale zwar wieder voll, allerdings können sich die wenigsten die Waren leisten. Das Leben ist für die meisten ein ständiger Kampf.

Erschien die Regierungskoalition anfangs noch als hoffnungsvoller politischer Neuanfang, ist inzwischen Ernüchterung eingekehrt. Das von den Koalitionspartnern unter Vermittlung Südafrikas (als Vertreter der Staatengemeinschaft des südlichen Afrika SADC) vereinbarte General Political Agreement (GPA), das die Machtteilung regeln sollte, wird nicht eingehalten. Besonders in Reformfragen des Sicherheitsapparates, der Rücknahme von repressiven Gesetzen und der Reform der Medien verweigert ZANU PF jede signifikante Konzession. Auch der Präsident ignoriert das Abkommen. Alle Entscheidungen, besonders in Personalfragen, trifft er alleine. Seit langem kreisen die Diskussionen um die nächsten Wahlen, für die Rahmenbedingungen geschaffen werden müssen. Präsident Mugabe will die Präsidentschafts- und Parlamentswahlen sobald wie möglich ansetzen, während die MDC vor den Wahlen auf die Erfüllung der GPA besteht: die Reform des Wahlsystems und der Wahlgremien, die Entpolitisierung des Sicherheitsapparates, die Verabschiedung einer neuen Verfassung und eine Wahl unter internationaler Beobachtung. Auch die westlichen Länder, die gezielte „Sanktionen“ gegen Mugabe und eine Anzahl von ZANU-Politikern und Geschäftemachern gerichtet haben, bestehen auf vorherige Reformen und wollen die Sanktionen erst nach einer Wahl unter fairen, freien und demokratischen Bedingungen aufheben. Mugabe nutzt dies zu Propagandazwecken, macht die Sanktionen für die wirtschaftliche Lage des Landes verantwortlich und schürt so das Feinbild des neo-kolonialen Westens und seiner Marionetten, der MDC.

In einem großen, vom Westen finanzierten Konsultationsprozess soll die Bevölkerung die Inhalte der neuen Verfassung mitbestimmen. Die Konsultationsforen wurden jedoch vor allem auf dem Lande weitgehend sabotiert. Die Ausarbeitung des Entwurfs ist Ende 2011 endlich in Gang gekommen, diese Information wurde jedoch von der Kritik an der Konsultation und an den Verfassern des Entwurfs überschattet.

Premierminister Tsvangirai und die MDC mussten 2011 wiederholt ihre Machtlosigkeit erkennen. Öffentliche Veranstaltungen, bei denen der Premierminister teilnehmen und mitwirken wollte, wurden willkürlich von der Polizei verboten. Es war nicht zu verhindern, dass viele Abgeordnete und Funktionäre der MDC, auch enge Mitarbeiter von Tsvangirai, aus fadenscheinigen Gründen verhaftet und vor Gericht gebracht wurden.

Eine Verbesserung der Situation seit 2009 ist im Bildungssektor zu erkennen. Schulbücher sind inzwischen an allen öffentlichen Schulen vorhanden. Problematisch ist allerdings weiterhin die schlechte Bezahlung der Lehrkräfte, die einen monatlichen Lohn von US$ 250 erhalten. Viele von ihnen sind inzwischen nicht mehr bereit für einen zu geringen Lohn zu arbeiten, Streiks drohen. Auch im Gesundheitsbereich ist eine Verbesserung zu verzeichnen. Die Infektionsrate von HIV hat im Vergleich zu den Vorjahren abgenommen und auch die Rate der Mutter-Kind-Übertragungen ist gesunken. Der desolate Zustand vieler sanitärer Einrichtungen und der Abwasserversorgungssysteme führt jedoch insbesondere in der Regenzeit zu Infektionskrankheiten wie Typhus oder Cholera.

In der Landwirtschaft konnten dagegen kaum Fortschritte erzielt werden. 2011 wurde eine weitere Kampagne ins Leben gerufen, um die Betriebe weißer Farmer unter die Kontrolle von schwarzen Zimbabwern zu bringen. Auch wenn einige der „neuen Farmer“ durchaus mit gutem Erfolg arbeiten, ist die Lage vieler großer Farmen problematisch, deren verwertbare Güter, die Wohnhäuser, aber auch z.B. Bewässerungspumpen und -leitungen im Zuge der Farmbesetzungen ausgeschlachtet wurden. Die großen Felder liegen oft brach. Viele tausende Farmarbeiter wurden arbeitslos. Die Aufnahme von Krediten für den Kauf notwendiger Güter gestaltet sich für die Farmer sehr schwierig, da sie meist keine formellen Landtitel haben, die jedoch für die Aufnahme von Krediten nötig wären. Getreidelieferungen an das halb-staatliche GMB (Grain Marketing Board) werden sehr spät bezahlt, was weitere Liquiditätsprobleme verursacht. Die Verteilung von Saatgut und Dünger durch Regierungsstellen (und Parteien) läuft nur unregelmäßig. Viele Farmer kultivieren lieber Tabak als Getreide, da sich damit ein besserer Erlös erzielen lässt. Mit dem Problem der Unterernährung ist Zimbabwe daher weiterhin konfrontiert. Für 2012 wird eine schlechte Ernte vorausgesagt. Das UN World Food Programme ruft international zu Spenden auf, da 2012 mindestens eine Millionen Menschen auf Nahrungsmittelhilfe angewiesen sein wird.

Auch der Arbeitsmarkt ist bisher nicht in Schwung gekommen. In Zimbabwe sind immer noch 80% der Menschen ohne formelle Beschäftigung. Sie schlagen sich mit Kleinhandel, Subsistenzlandwirtschaft und Gelegenheitsjobs durch. Viele Unternehmen mussten schließen – meist wegen einer korrupten und inkompetenten Geschäftsführung oder wegen der maroden Infrastruktur im Land – vor allem Stromausfälle sind an der Tagesordnung. Besonders die Landwirtschaft leidet unter diesem Defizit. Die großen Kraftwerke, die seit Jahren nicht ausreichend gewartet wurden und teilweise häufig ausfallen, müssten kostspielig instand gesetzt werden. Dasselbe gilt für die Wasserversorgung. Pumpen, die in den 80er Jahren gebaut wurden, fallen aus, Rohrsysteme müssten ersetzt, Wasserreservoirs und Klärwerke saniert werden. Einige Stadtteile von Harare, vor allem die „Squatter camps“, haben seit Jahren keinen Zugang zu Trinkwasser.

Auch das Finanzwesen bietet keinen Grund zum Optimismus. Das Überleben vieler Familien wird durch die Millionen Zimbabwer gesichert, die im Exil leben und regelmäßig Geld schicken. Dies wird künftig schwieriger, da Südafrika nun viele Zimbabwer zurückschickt. Über 60% des staatlichen Haushaltetat ist für die Gehälter der Staatsbediensteten vorgesehen sowie für die Forderungen der Parlamentarier und die häufigen Auslandsreisen der Politiker, besonders des Präsidenten. Für andere Bereiche wie Landwirtschaft, Bildung und Gesundheit stehen viel zu wenig Mittel zur Verfügung.

Seit 2012 ist der Diamantenhandel legalisiert worden. Spekulationen zufolge ist ein Gewinn in Höhe von US$ 600 Millionen zu erwarten. Ein Großteil dieses Erlöses fließt vermutlich der ZANU PF zu, die damit u.a. Waffen und Ausrüstung zur Niederschlagung von Demonstrationen einkauft. Der (MDC)-Finanzminister beklagt jedenfalls, dass die Diamentenerlöse am Finanzministerium vorbeigehen. Viele Nichtregierungsorganisationen protestieren gegen die Menschenrechtsverletzungen durch Armee und Milizen in den Minen von Marange.

Das 2011 verschärfte „Indigenisation and Empowerment“-Gesetz verlangt, dass ausländische Unternehmen zunächst 26% ihrer Anteile an Einheimische übertragen und innerhalb von vier Jahren diesen Anteil auf 51% erhöhen müssen. Firmen werden dazu aufgerufen, Pläne zur Verwirklichung dieser Übertragung auszuarbeiten. In Aussicht gestellte ausländische Investitionen, die eigentlich dringend gebraucht würden, werden wegen des Gesetzes zurückgehalten. Vielfach besetzen Jugendliche unter Berufung auf das „Empowerment“-Gesetz Immobilien in ausländischem Besitz, aber auch Parkplätze und Märkte.

Weiterhin engagieren sich in Zimbabwe bemerkenswert viele Nichtregierungsorganisationen, kirchliche und karitative Entwicklungsorganisationen, aber auch Menschenrechtsgruppen auf den verschiedensten Gebieten. Einige Initiativen haben sich zum Ziel gesetzt Kindern und Jugendlichen, insbesondere Waisen und anderweitig benachteiligte Kindern eine Zukunft zu geben. Andere widmen sich armen und kranken Menschen, die keinen Zugang zur Gesundheitsversorgung erhalten. Beeindruckend ist auch das Engagement einiger Rechtsanwälte, die zu Unrecht Angeklagte ohne Honorar verteidigen. Darüber hinaus werden Menschenrechtsverletzungen dokumentiert, denen sonst keine Beachtung geschenkt würde. Demonstrationen sind Teil des Alltages in Zimbabwe. Diese Aktivisten leben nicht ungefährlich. Sie werden von den Sicherheitskräften immer wieder schikaniert, verhaftet und wegen fadenscheiniger Begründungen angeklagt oder von den Jugendmilizen der ZANU PF terrorisiert. Die meisten Organisationen, Initiativen und Gruppen sind auf die finanzielle Hilfe aus dem Ausland angewiesen.

Zurück