„Man hat sich hier an den Tod gewöhnt. Aber auch wie man seinen Humor und Mut behalten kann.“

Der Simbabwe-Kenner Franz Ludwig Keck ist seit 1982 leidenschaftlich in, mit und für Simbabwe als CSR Consultant, Textilagent und Galerist tätig. Er fördert die einheimische Kunsthandwerkerszene wie kein anderer! In der Galerie Little ZIM im schwäbischen Birkenried laden der wunderschöne Skulpturenpark, die Galerie, Bildhauer-Workshops, diverse Kunstausstellungen usw. zum Staunen und Verweilen ein. Aufgrund der Corona-Krise steckt er seit Monaten in Afrika fest, wir haben nachgefragt, wie es ihm und seiner Familie geht.

Lieber Franz, Du befindest Dich derzeit mit deiner Familie in Simbabwe! Wie geht es Euch im Moment?

Ja ich bin seit Mitte Februar hier bei meiner Frau Ronika und den Mädels. Die erste Zeit haben wir in unserem Haus in Chitungwiza, der Township-Stadt, nähe Harare gewohnt. Die Situation war relativ lange entspannt. Der Corona-Virus und die Pandemie irgendwie weit weg. Nur an den Grenzen bzw. Flughäfen gab es Kontrollen und Gesundheitschecks. Seit 30.03. gibt es jetzt allerdings auch Ausgangsperren, Geschäfte wurden geschlossen, das öffentliche und informelle Leben (wie z.B. Märkte usw.) findet nicht oder nur noch kaum statt. Ende März habe ich Ronika und meine Kids aufs Land zu Ronikas Eltern gebracht. Dort gibt es Kühe, Ziegen, Hühner und nur wenige Leute. Ein gesundes Leben halt! Ich bin dort immer von Freitags bis Montags und arbeite unter der Woche in der Stadt als Berater für einen grossen Arbeitsbekleidungshersteller der aktuell auch für eine deutsche Marke arbeitet u.a. aber auch viele Nasen und Mund-Masken für den lokalen Markt sowie UNICEF etc. herstellt. Mit dem Auto kann man sich nur begrenzt bewegen.

Wie schätzt Du persönlich die Lage aufgrund COVID-19vor Ort ein bzw. spürt man die Auswirkungen der Pandemie in Simbabwe? 

Wirklich schwer zu sagen! Heute habe ich von 31 Infizierten und 4 Toten gehört. (Stand 27.4.2020) Es gibt nicht viele Tests, der Altersdurchschnitt der Menschen liegt bei ca. 19 Jahren. Das Gesundheitssystem hat willige bzw. idealistische Krankenschwestern und Ärzte von denen allerdings viele aufgrund schlechter Bezahlung/Arbeitssbedingungen das Land verlassen haben. Ich glaube nicht dass man aktuell von einem funktionierendem Gesundheitssystem sprechen kann. Im Laufe der letzten 30 Jahre sind viele infizierte und kranke Menschen an diversen Krankheiten wie Aids, Tuberkulose, Typhus usw. gestorben. Man hat sich an den Tod und den Überlebenskampf gewöhnt. Aber auch wie man trotz alledem seinen Humor und Mut behalten kann. Vor allem auch was den Zusammenhalt in Familie und Gemeinschaft betrifft.

Ich habe bisher persönlich von keinen erhöhten Erkrankungsfällen aufgrund COVID-19 gehört. Auch beim Arbeitsbekleidungshersteller bei dem ich tätig bin sind aktuell nicht mehr Arbeiter/innen als sonst erkrankt. Heute früh mussten wir drei Stunden in einer Schlange stehen um Geld von Western Union zu bekommen. Alle haben Abstand gehalten, waren etwas zurückhaltender als sonst, niemand hat gehustet oder sich vielleicht auch nur nicht getraut. Eine Hoffnung ist, dass das junge Alter der Einheimischen die aufgrund der häufigen Einnahme von retrovilar Tabletten gegen HIV und Malaria auch eine höhere Resistenz gegen den neuartigen Corona-Virus aufzeigen. Zimbos kann so schnell nichts mehr schocken!

Werden von der Regierung bereits Maßnahmen zur Eindämmung ergriffen? Wie reagieren die Menschen/Einwohner?

Vielleicht sollte man grob aufteilen: In den eher wohlhabenden Gegenden mit den großen Gärten und Einkaufszentren verhält es sich eher so wie in Europa. Die meisten Menschen haben Schutzmasken, halten Abstand, sind diszipliniert. Der Überlebenskampf ist in den Suburbs nicht allzu groß. Dennoch haben auch die Bewohner der Suburbs in der Vergangenheit schon einiges erlebt und sind auf vieles vorbereitet. Hingegen sind die Bewohner der Townships on der Pandemie am meisten betroffen! Ohne festen Job verdienen Sie sich in der Regel als Tageslöhner ein paar Dollars dazu. Der Verkehr ist sehr chaotisch. Dort sieht auch die Regierung immer das Risko für Aggressionen. In den Townships wurden alle Märkte und Combi-/Taxistände geräumt und viele Menschen somit Ihres Einkommens beraubt. Regelmäßig überwachen Armee und Polizei die Einhaltung der Ausganssperren. Desinfektiontrupps gehen durch die Straßen und besprühen die leeren Stände, ich vermute mehr als symbolische Maßnahme. Gelegentlich fahren kleine Trucks mit Früchten/Waren durch die Straßen um Sie dort zu verkaufen. Ich vermute dass ein Großteil der Leute nur wenig zum Überleben hat. Gelder aus der Diaspora (Geldtransfers von Familienmitgliedern) waren bereits jetzt für zehn Tage nicht möglich. Seit gestern funktioniert der Geldtransfer allerdings wieder. Vielleicht hilft das ja ein wenig. Die Kinder in die Schule zu schicken war für Eltern immer sehr wichtig. Dafür wurden auch große Opfer gebracht. Wenn in Zukunft alles wieder in die Gänge kommt und die Augsgangssperren aufgehoben werden vermute ich, dass viele Eltern erstmal keine Schulgebühren bezahlen können. Es bleibt abzuwarten wie die Regierung bzw. Schulen auf die neuen Situationen reagieren. Mit unserem Takunda Deaf Art Kindergarten & Schule werden wir nach den Einschränkungen selbst sehen welchen Betrag die Eltern der 30 Takunda Kids finanziell aufwenden können.

Auf dem Land leben zwei Drittel der Bevölkerung den typischen traditionellen kleinbäuerlichen Lebenstil. In erste Linie wohnen dort Rentner, ältere Menschen zusammen mit Kindern, Waisen oder auch solche, deren Eltern entweder das Land verlassen haben, in den Städten leben und Ihre Kinder in der Stadt nicht versorgen bzw. auf eine bessere Schule schicken können. Dort ist der Corona-Virus kaum bekannt. „Wir verstehen es und brauchen es auch nicht“, werden wohl dort die meisten antworten. Das Leben läuft weitgehend unverändert ab. Gerade findet die Mais- und Erdnussernte statt. Es gibt viel Arbeit „die den Städtern wohl gut tun würde“, wie die Alten mit einem Lächeln sagen. Die oft in der Nähe gelegenen „Bottlestores“ mit Trinkhallen haben jetzt Vorschriften und versorgen die Leute nur durch ein Fenster. Die Menschen trinken Ihr Bier jetzt unter den großen Akazien-Bäumen. Somit ist auch dieses Problem gelöst.

Deine Frau Ronika betreibt in der Nähe der Hauptstadt Harare den Takunda Deaf Art Kindergarten für gehörlose Kids. Findet der Unterricht aktuell statt?

Das Schul- und Kindergartenjahr fängt überall im Januar an und endet im Dezember. April, August und Dezember sind jeweils Ferienmonate. Unser Takunda Kindergarten beheimatet aktuell 30 Kinder, neun davon sind gehörlos bzw. haben eine Behinderung. Auch eine 1. Klasse für Schulkinder wurde mitlerweile eingeführt. Die meisten kommen aus der unmittelbaren Nachbarschaft, die Gehörlosen aus unmittelbaren bzw. entfernteren Nachbarschaften. Wegen Corona wurde der Unterricht schon am 24.03.20, also eine Woche früher als geplant beendet. Normaleweise treffen wir die Takunda Kids auch immer noch auf den Straßen und werden von weitem herzlich begrüßt. Das findet im Moment leider nicht mehr statt.

Unser Freund Martin von Kipepeo Clothing aus Stuttgart hat gerade erfolgreich über die Plattform Gofundme Spenden für die Kipepeo Partnerschulen in Kenia gesammelt. Da die Schulen bereits geschlossen wurden erhalten die Kids dort kein Frühstück bzw. Mittagessen mehr. Mit den gesammelten Geldern werden jetzt Lebensmittel und Hygieneartikel direkt zu den Familien nach Hause geliefert! Wie sieht es im Takunda Kindergarten aus? In welchen Bereichen würdet Ihr dringend Unterstützung benötigen (auch fernab von Corona)?

Keine schlechte Idee. Bei uns werden die Kinder auch mit gutem Essen morgens und mittags versorgt. Der Unterricht ist angegliedert an unser kleines Haus. Das Gelände für den Spielplatz wurde uns von einer Nachbarschaftkirche zur Verfügung gestellt. Alles nicht ganz offiziell, aber von der Gemeinschaft und Nachbarschaft geschützt bzw. unterstützt. Letztes Jahr haben wir mit Spendengeldern ein Stück Land (ca. 1600 m2) gekauft und im Februar/März teilweise das Gelände mit einer kleinen Mauer umfasst. Zusätzlich einen Brunnen gegraben und eine Behelfstoilette errichtet. Wir würden gerne mit diesem Projekt weitermachen und sind aktuell auf der Suche nach weiteren Unterstützern.

Welche Chancen und Risiken siehst Du in der aktuellen Situation?

In schwierigen Zeiten merkt man immer am Besten wer bzw. wo die wirklichen Freunde sind und auf wen man sich verlassen kann. Das ist immer so und hier auch nichts Neues. Grundsätzlich werden hier mehr Leute ums Überleben kämpfen müssen als im Vergleich zu den Menschen in Deutschland bzw. Europa. Oft kann man mit wenig Geld, welches gut eingesetzt wird, vieles erreichen. Ronika hat das besondere Talent mit den Eltern zusammen immer individuelle und angepasste Lösungen zu finden. Jeglich Unterstützung hilft! Wertvolle Schulausflüge und „Educational Outings“ werden wohl teilweise aufgrund fehlender Schulgebühren erstmal nicht mehr stattfinden können. Eine große Hoffnung ist für mich, dass aufgrund der Corona-Pandemie das Landleben einerseits wieder mehr geschätzt wird (viele finden das Leben auf dem Land altmodisch oder langweilig, kein Wifi etc.). Wenn dort auch abwechslungsreichere und schmackhaftere Lebensmittel (wie Obst, Gemüse usw.) angepflanzt, ein bisschen mehr in erneuerbare Energien und Landschaftsgestaltung investiert werden würde, könnte dies durchaus möglich sein. Wir probieren es gerade in unserer ganz persönlichen Situation aus.

Als zertifizierter Umweltbetriebsprüfer hast Du mit verschiedenen Partnern vor kurzem zwei wirklich interessante Projekte ins Leben gerufen: Little Zim 4 environment + Green Manyame Clean. Erläutere uns doch kurz worum es dabei geht.

Es geht natürlich bei beiden Projekten um Umweltbewusstsein, aber auch praktisches Wissen und tatkräftiges Handeln! Dazu zählt natürlich das Pflanzen der Bäume, aber auch Kräuterkunde, Kompostierung, Immunitätsstärkung usw. Es gibt hier eine gute lokale Organisation „Environment Africa“ welche von der Welthungerhilfe bzw. Brot für die Welt unterstützt wird. Dort gibt es Kurse, Beratung und gute Pflanzen: Unter littleZIM4 Environment schicken wir deshalb 10 Künstler und Kunsthandwerker (die natürlich Interesse haben) zu monatlichen Kursen (jeweils 5 Stunden ), stellen bestimmt Pflanzen zur Verfügung und kontrollieren die Fortschritte. Manche der Teilnehmer sind begeistert und setzen das Erlernte schnell um. Manch andere brauchen dafür etwas länger. Im Januar bekamen vier unserer Stipendiaten ihr erstes Zertifikat. Das macht uns natürlich sehr Stolz 😉 Jeden Monat kommen wir nun zusammen, tauschen uns gegenseitig aus und zeigen unsere Pflanz-Fortschritte in der Gemeinschaft. Es macht richtig viel Spaß!

„Green Manyame Green“ hat das Ziel ein offenens Gelände hinter Ronika Haus via Nachbarschafthilfe zu säubern und  begrünen. Die ersten 50 Bäume (hauptsächlich Croton, Flambeuyant, Akazien, einige Obstbäume, Avocado, Mango, Zitrone usw.) sowie viel Vertivas Gräser wurden dort bereits gepflanzt. Das allgmeine Interesse war zu Beginn unserer Pflanzaktion erstmal sehr verhalten. Jetzt halten wir auch für die Nachbarschaft (einschließlich der Eltern unserer Takunda Kids) einmal im Monat gemeinsam einen Themen-Tag ab. (Dazu zählen u.a. die Themen: Moringa-Tree, Wo passen welche Obstbäume hin, Kräuter als Immunitätsbooster, Was ist gut in der Küche, Komposting usw) Das dritte und letzte Meeting fand am 20.03.20, also kurz vor der Einführung der Ausgangssperren statt. Es kamen 30 Leute (viele Frauen) und alle gingen mit einem „Kraut- oder Baumsetzling“ nach Hause und versprachen das Gelernte auch daheim umzusetzen. Es freut uns wirklich sehr zu sehen das unsere ersten 50 gepflanzten Bäume/Gräser wachsen und gedeihen. Trotz verspäteter Regenzeit. Für den Notfall haben wir in der Nähe vorsorglich einen Brunnen gegraben, mit dem wir in der Tockenzeit Leute und Pflanzen gleichermaßen versorgen können. Wir bekommen von der Stiftung Bienenwald aus Burgau Unterstützung. Bei so vielen Ideen und Schwierigkeiten bräuchten wir allerdings noch viel mehr Support. Einige der Nachbarn setzen sich auch wirklich Aktiv ein und zeigen großes Interesse. Zusätzlich haben wir Kevin, von Environment Africa, der ein absoluter Experte in diesem Gebiet ist und weiß wie er seine Landsleute richtig motivieren kann.

Lieber Franz, danke das Du dir für dieses Interview Zeit genommen hast! Wir wünschen deiner Familie und Dir alles gute und hoffen auf ein baldiges Wiedersehen.Zu Franz Kecks Blog aus Simbabwe

Zum Galerie- und Skulpturenpark Little ZIM

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